Abschied – Dank – Geschenk

Ein Abschied – ein Dank – ein Geschenk

Liebe (ehemalige) KonzertbesucherInnen

Die Entscheidung, mich gänzlich vom öffentlichen Konzertieren zu verabschieden kam nicht von heute auf morgen und ist mir wahrlich nicht leichtgefallen. Seit meinen ersten Vortragsübungen als zwölfjähriger Bub (Händelsonate mit Schlotterknien im Lyceum Club St. Gallen) sind nun 60 Jahre vergangen. Viele Jahre und viele Konzerte durfte ich mit vielen von euch Zuhörenden gemeinsam erleben. Dabei wart ihr mir keineswegs einfach nur Hörende, sondern immer auch irgendwie Instrumente, mitmusizierende Resonanzkörper, welche offenen Herzens energetisch und atmosphärisch das musikalische Geschehen nicht unwesentlich mitgeprägt hatten. Ein Geben und Nehmen – danke – danke – danke!

Dabei entstanden je nach Konstellation unserer geistig – seelisch – körperlichen Befindlichkeiten Momente im ganzen Spektrum von Leiden bis hin zu Sternstunden. Sternstunden sind Gnadengeschenke. Das Leiden hat zumindest bei mir meist die Ursache dort, wo ich mir selber mit meinem Hang zur Perfektion, meinen Ängsten vor der eigenen Unzulänglichkeit und/oder mit meiner Eitelkeit im Weg stehe. Immer wieder musste ich hautnah erleben, wie der selbstgefällige Gedanke `hört mal, wie toll und schön ich spielen kann` unmittelbar den Gehalt der Musik aushöhlt und der glänzenden Oberfläche von Virtuosität und blendenden klanglichen und technischen `Effekten` einen unangemessenen Rang verschaffen. Mich selber ganz zurückzunehmen und die Musik einfach geschehen zu lassen war immer eine der zentralen Herausforderungen. Dem möchte ich mich zwar weiterhin stellen, aber nicht mehr öffentlich.

Ich spüre deutlich, dass ich mich von euren Erwartungen, Wünschen, Projektionen und eurer Bewunderung lossagen und mich in meiner letzten Lebensphase ganz auf die Musik selber konzentrieren möchte.

Diese glaube ich nicht nur im stillen Kämmerlein beim Üben, Komponieren und Aufnehmen zu finden, sondern mindestens ebenso klingend und schwingend in der Natur, von der unsere `irdische` Musik das ewige `Werden – Sein – Vergehen` in all seinen Facetten ständig zu spiegeln versucht.

Unser grosser wilder Garten inspiriert mich dabei sehr, forderte aber bisher auch immer diese Gratwanderung zwischen anstehenden Konzertterminen und der Belastung meiner Hände, denn Gartenarbeit verträgt sich schlecht mit der nötigen Feinmotorik beim Geigen.

Bereits jetzt fühle ich beglückt die Entschleunigung und den verminderten Druck durch das Wegfallen von äusserem Bestimmtsein.

Mein Dank gilt euch und all den mutigen VeranstalterInnen: ihr habt die vielen vielen Konzerte erst ermöglicht. Dank aber auch den zahlreichen Menschen, mit denen ich in all den Jahren musizieren durfte. Gemeinsam konnten wir Wege beschreiten, die alleine gar nicht begangen werden können – danke – danke – danke!

Dabei schliesst ja meine Entscheidung weitere musikalische Begegnungen und Wegstrecken überhaupt nicht aus. Im Gegenteil – ich erhoffe uns, z.B. durch das Musizieren ohne Konzertdruck, neue und wundervolle gegenseitige Inspirationen.

Ein spezieller Dank geht auch an die Crew meines Platten-Labels ECM mit seinem spiritus rector Manfred Eicher. Sie waren bei der Entstehung oft wichtig und haben durch das Festhalten der Musik auf bisher sieben CDs wesentlich dazu beigetragen, dass diese so viele Menschen erreichen kann – danke – danke – danke!

Was uns alle, sie, euch und mich miteinander verbindet, ist `Resonanz`, ein sich Einstimmen auf die gemeinsame Frequenz als Grundlage für ein Zusammenschwingen, ein `Schwingfest der feinstofflichen Art`. Wir MusikerInnen sind da sehr privilegiert, da wir uns ständig in diesem Übungsfeld von Zuhören und sich Gehör verschaffen, Einschwingen / Mitschwingen / Ausschwingen bewegen. Ist es nicht so, dass wir uns im Grunde darin üben, unsere Liebesfähigkeit zu entfalten?

Was euch jedoch, liebe HörerInnen, von den Mitmusizierenden unterscheidet, war bisher die fehlende Option, aktiv mitsingen zu können – ausser hie und da mal in einem Zäuerli. Dies möchte ich euch mit meinem kleinen Abschiedsgeschenk nun ermöglichen: in den letzten drei Monaten seit meiner Entscheidung ist eine Musik entstanden, welche nebst der rein instrumentalen Version auch eine zusätzliche Singstimme beinhaltet. Die Texte sind einerseits frei nach Rilke (auf Berndeutsch):

I läbe mys Läbe i wachsende Ringe,

wo sech über d’Sache zieh.

I wirde der letscht vilech nid vollbringe,

aber probiere wetti ne.

 

I kreise um d’Liebi, ume uralt Turm,

u i kreise jahrtuusigilang;

u i weiss no nid: bini e Falke, e Schturm

oder e grosse Gsang

 

(danke, Marie-Louise, für die Übersetzung)

Andrerseits sind es dem Kinderlied `Chumm mer wey ga Chrieseli günne` entnommene Fragmente. Für die weniger geübten Sänger und Sängerinnen deute ich in der Version `Rundbogen mit voc part` die Singstimme mit der Geige als Unterstützung an.

Im Sekundentempo führt die Musik von frühkindlichen Erlebniswelten bis zum sich schliessenden Lebenskreis, erinnert an unsere Traumwelten, Ahnungen, Sehnsüchte, Gewissheiten, an Brüche, Mut, Trauer und Ekstase, und spricht (dank bewusster Pathosresistenz) auch von Zärtlichkeit und der Reinheit des Herzens. Wie doch die Poesie mit dem Lied der Mutter, dem Lied des Dichters, dem Lied der Erde wesentliche Aspekte unserer Existenz auf den Punkt zu verdichten vermag! Scheinbar Gegensätzliches wie `ä grosse Gsang` und einfaches Kinderlied verbindet sich Zen-artig zu einem Koan: kein Unterschied.

Ein Wort noch zum Rundbogen: von meinem wichtigsten und verehrten Geigenlehrer Peter Mezger erbte ich vor Jahren seinen Rundbogen, den ich allerdings erst seit Anfang dieses Jahres wirklich am Entdecken bin. Dieser spezielle Bogen ermöglicht u.a. das Streichen von 3 bis 4 Saiten zugleich und eröffnet damit, vor allem auch auf meiner 5-saitigen Violino d`amore, ganz neue akkordische Möglichkeiten. Er trug ganz wesentlich zum Entstehen dieser Musik bei.

Praktisch zeitgleich war das Spielen dieses Bogens und mein Rückzug aus der Öffentlichkeit. So scheint mir der Titel `Rundbogen` passend: der Bogen über die Epoche meines Konzertlebens ründet sich.

Hier die drei Dateien:

  1. `Rundbogen`
  2. `Rundbogen mit voc part`
  3. `Rundbogen Partitur `rudimentär, aber mit Singstimme und Text. Da die Violino d`amore skordiert, d.h. umgestimmt ist, können die Akkorde nicht einfach wie gewohnt gelesen werden: der Part ist in Griffschrift notiert.

Empfehlung: zuerst die instrumentale Aufnahme hören, dann erst mitsingend diejenige mit dem Vokalpart.

 

Ich wünsche euch viel Freude damit

und von Herzen alles Gute

Paul

PS: mein Freund Phil aus Oxford schreibt mir zu dieser Musik: «I was slightly disappointed when you said you were giving up performing, but if  this is the result – wow.»

Ich nehme dieses freundliche Statement gerne als Bestätigung, dass die Himmelsrichtung, in der ich mich bewege, zumindest stimmig ist.


7th cd on ECM

Pünktlich, kurz vor meinem 70igsten erschien am 26. August meine/unsere 7. ECM CD

ars moriendi

Darauf gibt es eine 19minütige Version vom «Guggisberglied» – alles Gestrichene, Gekratzte, Gezupfte, Geschlagene und Getrommelte wurde auf meiner Violino d`amore im Studio eingespielt – sowie 8 Tracks aus der Filmmusik «Giovanni Segantini – Magie des Lichts» (von Regisseur Christian Labhart).

Wie ein fil rouge zieht sich das Thema der Vergänglichkeit durch alle 9 Stücke

Mitwirkende: PG, Violine/Violino d`amore; Marie-Louise Dähler, Cembalo/Truhenorgel; Pudi Lehmann, Gongs/Perkussion; Franz Vitzthum, Altus; Carmina Quartett

 

Ausserdem war im August/September einiges los mit 2 Uraufführungen und verschiedenen Konzerten
Nähere Informationen gibt es hier:    https://paul-giger.ch/concerts/


30-Jahr-Jubiläumsreise «Chartres 2018»

DIES WAR DIE LETZTE REISE NACH CHARTRES IN DIESER FORM

30 Jahre lang hatte ich das Privileg, meine Komposition für Violine solo an diesem besonderen Ort spielen und mit einer Gruppe Zuhörer*innen teilen zu dürfen. Mit der letzten Reise im Oktober 2018 schliesst sich ein Kreis und es endet eines meiner wichtigsten, intensivsten, nachhaltigsten, herausforderndsten und beglückendsten Projekte – zumindest in dieser Form. Denn Wolfgang Larcher geht in Pension und zieht sich zurück.

1988 bis 2018 – Dank der schicksalshaften Begegnung mit dem Chartres-Eingeweihten Wolfgang Larcher, der sowohl inhaltlich die Musik wesentlich mitprägte, wie auch mir vor Ort Tür und Tor zu öffnen half und es damit der Musik überhaupt erst ermöglichte, in diesen heiligen Hallen Gestalt anzunehmen und diese zum Klingen zu bringen, durften wir jedes Jahr mit einer jeweils geschlossenen Gruppe nicht nur diese Musik an ihrem Entstehungsort immer wieder neu live erleben, sondern an den wachsenden Kreisen der Wahrnehmung und Erkenntnis dieses aussergewöhnlichen Menschen teilhaben: Wolfgang Larcher, Kunsthistoriker der anderen Art, geistbeseelter Begleiter in der Annäherung an die Geheimnisse der Kathedrale, lebte und arbeitete über 40 Jahre lang für das Thema Chartres.

Es erfüllt mich nach all den Jahren natürlich mit Traurigkeit, dass diese Aera nun zu Ende geht. Im Wissen jedoch, dass sich uns beiden damit neue Wege und Pforten eröffnen werden, kann ich seinen Entscheid gerne annehmen und mich mit ihm und seiner Familie auf einen neuen Lebensabschnitt freuen.

Vor allem aber fühle ich eine tiefe Dankbarkeit für Wolfgangs ebenso intensive wie freundschaftliche Begleitung auf meiner musikalischen und geistigen Pilgerreise. – Von Herzen Dank!

…so spielte ich vor 30 Jahren im Labyrinth (hier klicken)

 


Beglückendes Neujahrskonzert «StilleKlangRaumZeit»

Dies waren die Worte, die der Veranstalter von `Klangreich` Christian Brühwiler an die Menschen in der vollbesetzten Alten Kirche Romanshorn richtete:

Herzlich willkommen im neuen Jahr – wir alle beginnen es mit Erwartungen, Wünschen, Sehnsüchten, vielleicht auch mit Ängsten. Erfahrungsgemäss hält es immer Vieles für uns bereit, Vertrautes wie auch Unerwartetes, Wohliges und Erschütterndes, Freudiges und Unliebsames – wie diese Musik. So wie das neue Jahr begrüsst werden will, so soll auch das alte Jahr in Dankbarkeit verabschiedet werden:  Bewährtes will zuversichtlich weitergeführt und Verhärtetes will losgelassen werden – wie in dieser Musik. Die Klänge, die wir gleich hören werden, nehmen Vieles von Vergangenem und Zukünftigem auf, lassen Sehnsüchten und Ängsten Raum, hinterfragen Überkommenes und sollen uns dankbar für das Vergangene und zuversichtlich für das Kommende stimmen. – E guets Neus!

Im Namen meiner MitmusikantInnen Marie-Louise und Pudi möchte ich mich herzlich bei allen bedanken, die sich mit uns zusammen auf das noch junge neue Jahr eingestimmt haben. Wir spürten eine wundervolle Offenheit und Konzentration und nehmen dies gerne als gutes Omen für uns alle im 2018.

Für mich persönlich war der Jahresstart gesundheitlich nicht optimal und ich musste mit verstopften Ohren und ständig laufender Schnoddernase meine letzten Reserven für das Konzert aufbieten. Aber wie so oft im Leben sind es widrige Umstände, welche beglückende Momente hervorbringen – in diesem Fall das beileibe nicht alltägliche Geschenk, dass die Menschen in der vollbesetzten Kirche ohne Aufforderung singend in unser Schluss-Zäuerli miteinstimmten – wow!

Hier ein kleiner Probenausschnitt


Neue CD «trans limen ad lumen» mit den Werken `Pert Em Hru` und `Tenebrae`

Teaser zu `Pert Em Hru`

 

Wir freuen uns sehr, dass die CD «trans limen ad lumen» nun beim Schweizer Label «Divox» erschienen ist. Deren Chef  Wolfram Burgert hatte damals die Aufnahmeleitung: Die im Rahmen der St. Galler Festspiele 2011 als «Tanz in der Kathedrale» aufgeführte Musik «Pert Em Hru» wurde mit 47 Mikrofonen im «Auro 3D» System aufgenommen und für die CD auf einen  Stereo-Mix runtergemischt. Mitwirkende sind das Collegium Vocale sowie der Tablater Konzertchor (Einstudierung: Ambros Ott) unter der Leitung des 2016 leider verstorbenen Domkapellmeisters Hans Eberhard, sowie Marie-Louise Dähler  (Cembalo, kleine Chororgel), Pudi Lehmann (Gongs, Buk, Perkussion), David James (Countertenor) und PG (Violine, Violino d`amore). Choreografie und Leitung der Tanzkompagnie St. Gallen: Marco Santi. Mein Sohn Ramòn Giger hatte die Probenarbeit und die Aufführungen mit seinem Film-Team begleitet. Daraus entstand dann sein sehr persönlicher Dok-Film «Karma Shadub».

Als weitere Musik auf der CD sind Teile aus «Tenebrae»  für fünf Männerstimmen und Solo-Violine von Roman Rutishauser zu hören. Die Aufnahme stammt vom letzten Konzert der Tournee 2013/14  in der Kirche St. Laurenzen, St. Gallen. Mitwirkende: The Hilliard Ensemble, PG.

Mehr Infos

Die CD ist ab sofort im Fachhandel erhältlich, z.B. bei «Notenpunkt», Spisergasse 43, 9000 St. Gallen 071 220 30 80, oder per Mail an


Uraufführung «Rauhnächte»

 

Der Kompositionsauftrag für das Sinfonieorchester St. Gallen hat mich lange und  intensiv beschäftigt. Nun haben wir das Stück «Rauhnächte» mit dem St. Galler Sinfonieorchester unter der Führung ihres Chefs Otto Tausk am 4. Februar 2016 in der Tonhalle St. Gallen uraufgeführt.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei euch wundervollen Musikerinnen und Musikern für die freundliche Aufnahme von meiner Musik und mir in euren Kreis. Durch euer grosses Können, gepaart mit euren offenen Herzen und inspiriert durch die eindrückliche Präsenz und Hingabe von dir lieber Otto, habt ihr die Partitur erst zum Leben erweckt.

Chläus: «Vergeltsgott!». Ihr als «Stäner-Schuppel» verkleideten Alpstein-Schamanen habt uns zusammen mit den fantastischen fünf Schlagwerkern mit perfektem Timing in die Ur-Traum-Zeit, in Unterbewusstseinsschichten geführt, welche zum Boden wurden, zu dem hin sich dann erst die Drei Weisen in stetig fallenden Tonfolgen verneigen konnten: Danke euch, Rosy  und Michel. Mit Oboe und Englischhorn fandet ihr im mäandernden Gespräch mit meiner Violino d`amore die perfekten Sikas für das naturtönig weit ausschwingende «Zäuerli mit Migrationshintergrund». Ihr liesst uns schnuppern an der animistischen Weisheit des kulturenverbindenden Traums, der sich am Ende der «Rauhnächte» zum Vogelschwarm verwandelt, sich auf einem Windstoss emporschwingt und ausschwärmt den magischen Kreis zu schliessen.

Danke auch euch vielen hörendfühlenden Menschen, die ihr auf eure Art innerlich mitmusizierend in der physisch wie energetisch vollen Tonhalle dieses Erlebnis nicht nur mit uns geteilt, sondern mitgetragen, ja mitgestaltet, und der Freude über die Resonanz von Aussen und Innen – mittels dieses ebenso faszinierenden wie auch seltsamen Klangs aufeinanderschlagender Handflächen – so begeistert Ausdruck verliehen habt.

Und ich danke herzlich dir, lieber Florian, dass du mir mit diesem Auftrag die Ehre gegeben hast.

Das Konzert wurde am 7. April um 20 Uhr auf Radio SRF2 gesendet.

Hier nun die Eindrücke von Peter Surber (der wieder das Unmögliche schafft, Musik mit Worten erahnen zu lassen) – erschienen im Online Kulturmagazin von «Saiten»:

Rauhnächte Saiten

http://issuu.com/konzertundtheaterst.gallen/docs/terzett_januar_2016

 

 


Bonus Musik-CD auf Segantini DVD

Die gesamte Musik die wir für den Segantini Film aufgenommen haben ist als Bonus CD der DVD beigelegt. Sie enthält über 60 Minuten Musik von J.S.Bach, W.A.Mozart und PG.

Für die Filmmusik hatten wir (PG und Marie-Louise Dähler, Cembalo, Orgel) die musikalische Leitung und das grosse Glück mit wundervollen Musikern und Musikerinnen zusammen arbeiten zu können: Carmina Quartett, Pudi Lehmann (Gongs, Perkussion), Franz Vitzthum (Countertenor), Peter Länger (Tonmeister).

Mehr Infos

Die CD mit DVD ist im Fachhandel erhältlich, z.B. bei «Notenpunkt», Spisergasse 43, 9000 St. Gallen 071 220 30 80, oder per Mail an